Die Kita «Rosa Marzipan» fliegt raus

Thema–Mit Transparenten versuchten die Kinder, Eltern und Erzieher*innen auf ihre Situation aufmerksam zu machen

Nach 43 Jahren wird nun auch die Kita «Rosa Marzipan» in der Putbusser Straße durch ihren Träger AWO geschlossen. Warum genau, weiß niemand so recht. Als Konsequenz müssen die Erzieher*innen sich neue Stellen suchen und die Eltern neue Kitaplätze – in einem Bezirk, der in diesem Bereich notorisch unterversorgt ist. In der ersten Ausgabe der Plumpe (Juni/18) berichteten wir bereits über den Fall der Kita in der Türkenstraße, welche ebenfalls verdrängt werden sollte.

Die Suche nach Erklärungen gestaltet sich schwierig: Am 4. Februar diesen Jahres geht ein Brief des gelegentlich gemeinnützigen Trägers AWO ein, in dem die baldige Schließung angekündigt wird. Als Grund wird angeführt, die Kita sei in schlechtem Zustand, zudem gebe es Schimmel an den Wänden und die Vermieter würden sich weigern, zu sanieren. Eine Schließung sei «alternativlos». Der Begriff der «Schimmelkita» macht die Runde.


Auf Rückfrage der Eltern bei der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft DeGeWo zeigt diese sich erstaunt: Sie weiß nichts von Schimmelbefall und zeigt auch sonst ein großes Interesse daran, die Kita in ihrem Gebäude zu erhalten. Zwar trat vor zwei Jahren Schimmel durch einen Wasserschaden in einer anderen Wohnung auf, dieser wurde jedoch beseitigt. Im aktuellen Fall kommen alle verwundert zum selben Schluss – es gibt gar keinen Schimmel. Dies bestätigt auch ein eigens von der Degewo in Auftrag gegebenes Gutachten. Darauf folgen Anrufe beim Gesundheitsamt; dieses reagiert wenn, dann genervt. Es wird schnell klar, dass hier die Position der AWO geteilt wird und weitere Nachfragen bis hin zum Auflegen lästig sind, selbst wenn feuchte Wände oder ähnliches auch nach eigener Aussage nie ein Problem waren. Was trieb die AWO also an? Es ist eine alte Immobilie, sie passe sicher nicht mehr gut in die Konzepte, so eine Vermutung. Kleine Kitas als «Auslaufmodell», mehr Kinder in mehr Räume, ob nun pädagogisch sinnvoll oder nicht – sicher ein Grund. Letzlich kann nur spekuliert werden.

Nach anfänglichem Schock machen die Eltern mobil: Die oben beschriebenen Anrufe bei Behörden und Wohnungsbaugesellschaft, sie bauen Kontakt zu Lokalpolitiker*innen auf, es werden Banner aufgehängt und mit Nachbar*innen geredet, eine Demo wird geplant. Medien werden aufmerksam. Für viele Erzieher*innen eine schwierige Situation, denn sie bangen um ihren Arbeitsplatz.

Aber auch nach einem runden Tisch bleibt ein bitteres Ergebnis. Die AWO mauert, die Kita «Rosa Marzipan» wird wie geplant geschlossen. Eine funktionierende Einheit von Erzieher*innen und Eltern, 43 Jahre gesammelter Erfahrungen, eine gewachsene Struktur im Kiez – per Schlüsselabgabe weggestrichen. «Die Kita ‹Rosa Marzipan› war etwas Besonderes, gekennzeichnet durch liebevolle Begleitung auf Augenhöhe, mit einem individuellen Blick auf das Kind und freier Entfaltungsmöglichkeit. Es war unser kleines Paradies und man hat es den Kindern und uns grundlos weggenommen», so ein Elternteil im Rückblick.

Es wird auch ein weiteres Zeichen der fortschreitenden Neoliberalisierung des gesamten Pflege- und Erziehungssektors sein, in der kleine, vor Ort verankerte Institutionen weichen müssen vor unpersönlichen Großeinrichtungen mit besserem Ergebnis für die Bilanz. Wieder wird klar: Die Art, in der wir als Gesellschaft beschließen, die Betreuung und Versorgung (auch) unserer Kinder zu strukturieren, darf nicht geleitet sein von finanziellen Vorgaben. Ganz eindeutig sind dieser und viele andere zentrale Teile unseres Lebens nach gesellschaftlichem Interesse zu organisieren.

Und trotz alledem. Aus dem Kreis der kämpferischen Eltern kommt der Ratschlag, sich immer zu wehren: «Wir waren zunächst schockiert, aber dann haben wir gesagt: So nicht!»
Manchmal bleibt uns wenig mehr, als uns zu vernetzen mit unseren Nachbar*innen, unseren Kolleg*innen, oder wie hier: Den anderen Eltern in der gemeinsamen Kita an der Ecke. Und wahrscheinlich ist das unser Glück: Es ist auch die Kraft unserer sozialen Bindungen zueinander, die enormen Druck entfalten kann, hin zu einer Stadt die nach unseren echten Bedürfnissen aufgebaut ist, nicht nach der irren Logik eines Kapitalismus, der vor keinem Bereich unserer Gesellschaft Halt macht.

Ein Beitrag der Kiezkommune Wedding, erschienen in der Plumpe #3 (September 2019)