Berliner Krankenfabriken – Krankgespart für ein gesundes Plus

Titelthema- Gesundheit kostet Geld! Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Gesundheitsversorgung – streng profitorientiert statt Grundrecht – eine Ware ist. Trotz der strengen organisatorischen Trennung der verschiedenen Bereiche des Gesundheitswesens herrscht auch hier ein täglicher Konkurrenzdruck auf Betriebe und Angestellte.

Natürlich sehnen wir uns nach einem schnellen, möglichst stressfreien, günstigen und erfolgreichen Ende der Behandlung: Gesund wollen wir schließlich werden und es am besten bleiben! Doch ob unter diesen Bedingungen die notwendige Pflege und Behandlung optimal und zufriedenstellend für uns Patient*innen organisiert werden kann, steht zur Debatte. Wenn selbst ein landeseigener Betrieb im Gesundheitsbereich, wie die Charité, vom Berliner Senat unter Sparzwang gesetzt wird, sollten wir aufhorchen und uns fragen, welcher Logik hier unsere Grundversorgung zum Opfer fällt und wer als Erste*r dadurch erkrankt.

Arbeitskämpfe an der Charité

Vom Leid der Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen können die Angestellten der CFM «Charité Facility Management GmbH» ein Lied singen. Als eines von dreizehn (!) Tochterunternehmen der Charité wurde diese im Zuge der Sparpolitik 2006 gegründet. Ausgegliedert oder «outgesourced», wie es auch heißt. So waren Stundenlöhne zwischen 5-6 Euro umsetzbar. Mittlerweile erstreckt sich die Lohnstruktur im Betrieb auf drei verschiedene Klassen. «Lohnunterschiede von bis zu 1000 Euro Brutto sind die Realität,» so Sascha, Mitarbeiter der CFM, im Juli auf einer Veranstaltung im Kiezhaus Agnes Reinhold im Wedding. Im Kern sind die Angestellten der CFM dafür zuständig, dass unsere Krankenhäuser mit den notwendigen Materialien ausgestattet werden, die es braucht, damit Ärzt*innen, Pflegekräfte bzw. das medizinische Personal arbeiten können. Also die logistische Lebensader unserer Gesundheitsversorgung. Da diese Arbeit etwas wert ist und auch gut bezahlt werden muss, folgte ein seit 2011 andauernder Arbeitskampf. «Wir wollten zu diesen mickrigen Löhnen nicht mehr arbeiten, also haben wir 90 Tage durchgestreikt!» So lange dauerte es, bis die Chefs endlich an den Verhandlungstisch kamen. Immerhin: Der damals neue Mindestlohn von 8,50 Euro wurde für das Personal erkämpft. «Es gab Prämien, um krank zur Arbeit zu kommen, auch dagegen haben wir uns durchgesetzt,» erzählt Sascha und macht klar, dass im Arbeitskampf keine Geschenke zu erwarten sind. Absurd, könnte man meinen, da es in diesem Bereich doch um die öffentliche Daseinsvorsorge geht. Stattdessen sind Tarifflucht und Lohndumping Realität. Besonders per de ist die Situation in der Reinigungssparte. 800 Angestellte, größtenteils migrantisch, arbeiten bei der CFM in diesem Bereich; seit 1. Januar 2019 wird hier verstärkt befristet eingestellt, damit dem Betriebsrat der Zugriff entzogen wird. Das heißt, eine weitergehende betriebliche Organisierung wird erschwert und soll den Arbeitskampf schwächen. Außerdem werden die niedrigsten Löhne an diese CFM Kolleg*innen bezahlt. «Auch durch die sprachlichen Barrieren ist es schwer, den Kollegen überhaupt die grundlegendsten Rechte im Betrieb zu vermitteln.» Das nutzt die CFM in diesem Fall schamlos aus.

Die Botschaft ist klar: Die Reinigung unserer Krankenhäuser und der damit verbundene Erhalt eines Hygienestandards darf das Land Berlin nichts kosten.

Organisierung wird erschwert

Marzena Manske ist 54 und lebt seit 30 Jahren im «Afrikanischen Viertel» im Wedding. Sie arbeitet seit 16 Jahren für die Charité auf dem Virchow-Campus als Physiotherapeutin. Ihr Arbeitsleben ist geprägt von der Arbeit unter Outsourcing: Neun Jahre in Folge bekam sie als Mutter eines Sohnes nur befristete Jahresverträge. «Ich hab die Scheiße nur mitgemacht in der Hoffnung, dass es eines Tages besser werden wird,» sagt sie im Interview. Seit 2013 ist sie als Angestellte eines privaten Therapiebetriebs auf dem Virchow-Campus ebenso Teil einer Charité Tochterfirma, der CPPZ GmbH. Klingt verworren, ist aber ein Produkt der zur Normalität gewordenen neoliberalen Gesundheitswirtschaft des Landes Berlin. «Das sind Geschäfte unter denen. Aber ich musste trotzdem zwei Jahre arbeiten, um endlich eine Entfristung zu erhalten.» Dies eröffnete den Weg, um endlich einen Betriebsrat zu gründen; denn es gab mehrere genervte Kolleg*innen die sich endlich, mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag im Rücken, gegen diese Zustände wehren wollten: «Der Arbeitgeber verhielt sich nicht professionell – sie nehmen es persönlich, wenn wir unsere Grundrechte wahrnehmen. Aber so ist das – sie fangen an, Sachen zu erfinden, um mich rauszuwerfen!» Marzena ist Teil des Betriebsrats und aktiv in der Tarifkommission – ihr Kampf läuft erfolgreich. Doch trotz der gemeinsam erkämpften Rückführung in den Charité-Mutterkonzern zum 1. Januar 2020, sind die Schikanen der Geschäftsleitung und die arbeiter*innenfeindliche Politik eine zusätzliche gesundheitliche Belastung für Marzena. «Es bedeutet viel Stress, denn du bist die meist gejagteste Person für die Leitung. Ich will mich ja vor allem meinen Therapiesitzungen widmen! Aber ich lasse nicht zu, dass meine Arbeit drunter leidet.» Marzena hat eine Möglichkeit gefunden, die Lebens- und Arbeitsbedingungen von ihr und ihren Kolleg*innen und damit letztendlich ihrer Patient*innen zu verbessern und gerät unter der aggressiven Betriebspolitik ihrer Betriebsleitung beinahe selbst in eine gesundheitsgefährdende Situation. Der Kampf der Angestellten in der Charité zeigt, wie die Qualität unserer Gesundheitsvorsorge in ihrer Gesamtheit durch knallhartes Profitstreben stetig aufgeweicht werden soll. Es ist auch an uns Patient*innen oder Kolleg*innen, die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens zurückzudrängen, Qualität einzufordern und für ein Gesundheitssystem aktiv zu werden, das Arbeit nicht entwertet, sondern ein würdiges Leben für unser medizinisches Personal schafft.

Ein Artikel der Redaktion, erschienen in der Plumpe #3 (September 2019)