Interview– Kein Ende des Mietenwahnsinn in Sicht.
Daniel, du wurdest im Februar 2020 aus deiner Wohnung zwangsgeräumt. Wie kam es dazu?
Nach 36 Jahren wurde ich aus meiner Mietwohnung in der Transvaalstr. 20 zwangsgeräumt. Seit 2004 waren die Öfen in der Wohnung kaputt, die Wasserstränge zu meiner Wohnung aus Blei und das Wasser dadurch kein Trinkwasser. Auf Anzeige dieser und weiterer Mängel hat der Vermieter D. Zunker nicht reagiert. Daher sah ich mich gezwungen die Miete zu reduzieren, was ich 2005 um 100 Prozent tat. Die Mietminderung wurde vom Eigentümer erst 2017 juristisch angegangen. Mit fragwürdigen Aussagen wurde Ende 2018 dann der Räumungstitel erwirkt. Wegen Falschaussage habe ich eine Strafanzeige gegen Zunker gestellt.
Was hast du gegen die drohende Zwangsräumung unternommen?
Wegen der drohenden Obdachlosigkeit habe ich seit Mitte 2016 beim Job- Center und später beim Wohnungsamt vorgesprochen. Seit 2012 bekomme ich ALG II, aber wegen der Mietminderung nicht die Mietzahlung. Erste Anträge auf Mietzahlung von 205 Euro und auf Mietschuldenübernahme von ca. 8500 Euro wurden nie bearbeitet. Aus Krankheitsgründen und Einschüchterung durch den Vermieter habe ich ihm im Februar 2017 eine Vollmacht erteilt, die Mietschulden und Mietzahlung selbst beim Job-Center einzufordern. Alle Anträge wurden abgelehnt. Auf juristischer Ebene hat mein ehemaliger Rechtsanwalt Martin Griebling mit sei- ner Untätigkeit und schlechter Beratung viel zu Nichte gemacht. Erst später habe ich erfahren, dass er (1). Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes von Haus & Grund Berlin ist1. Mein schon angeschlagener Gesundheitszustand wurde immer schlechter und so konnte ich einen Räumungsaufschub erwirken.
Hast du Unterstützung von Seiten des Bezirks erfahren?
Auf den Ämtern wurde ich sehr unmenschlich behandelt.(2) Alles wurde abgelehnt oder nicht bearbeitet, wie eine Wohnung nach § 67/ 68 ff. SGB XII. im geschützter Marktsegment zu bekommen. Anstatt dessen wollten sie mich in den SGB § 53 für psychisch Kranke einstufen. Ein richterlich angeordneter Amtsarzttermin bestätigte, dass ich nicht in diese Kategorie falle. Der Bezirk hat mir bis heute nicht wirklich geholfen.3
Hast du anderweitig Solidarität erfahren?
Seit Februar 2018 habe ich Beratung und Unterstützung bei unterschiedliche Initiativen wie Hände weg vom Wedding, Zwangsräumung Verhindern, dem Mietenwahnsinn-Bündnis und vielen anderen erhalten. Was mir Kraft gab weiter gegen diesen Irrsinn zu kämpfen. Die solidarische Unterstützung von unten, die ich erfahren habe, hält mich weiter am Leben und hat mir ein Sinn fürs weiterleben gegeben.
Was bedeutet Wohnungslosigkeit in Zeiten von Corona?
Ich habe zunächst in Buch-Berlin in einem Obdachlosenwohnheim ein Zweibettzimmer bekommen. Gesundheitlich steht mir ein Einzelzimmer zu was ich dann in Schöneberg erhalten habe. Es kostet 40 Euro am Tag für eine «Sterne»Unterkunft. Dazu kommen die Einlagerungskosten, Umzugskosten was am Ende eine Summe um die 1500 Euro pro Monat ausmacht. Im Wohnheim zu leben und das auch noch unter der Covid19-Pandemie und Verordnung ist katastrophal. Es ist mit viel Angst und Depressionen verbunden. Einzelheiten erspare ich mir.
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(1) H&G ist einer der aggressivsten Immobilienbesitzervertretungen, die unter anderem gegen die Mietpreisbremse und den Mietendeckel agitierten haben.
(2) SiehE Artikel Berliner Zeitung vom 27.11.2019: www.berliner-zeitung.de/menschmetropole/herr-z-wird-geraeumt-li.2111
(3) Im November 2019 wurde erstmalig in der BVV Mitte ein Antrag zur «Beschlagnahmung der Wohnung zur Abwendung der drohenden Obdachlosigkeit» angenommen, geprüft und dann unter einen unhaltbaren Angebot abgelehnt: www.unverwertbar.org/aktuell/ 2020/4305/
Dieses Interview erschien in der PLUMPE #5 (06/2020)