Titelthema – Wer von der Koloniestraße in den Hof der Hausnummer 10 läuft, findet ihn noch: den klassischen Berliner Remisenhof. Inmitten des hektischen Dreiecks von Bad-, Kolonie- und Osloer Straße, ist er mit seinen kleinen Backsteinbauten am Rande des langgestreckten Hofes eine richtig grüne und ruhige Oase. Der Hof hat dabei eine lange Geschichte, die von Künstler*innen und Handwerker*innen geschrieben wird. Die scheinbare Idylle ist jedoch bedroht. Wie in Berlin so häufig, wurde die jahrzehntelange relative Ruhe durch den Verkauf des Vorderhauses sowie der Remisen an einen Investmentfonds gebrochen. Die nicht besonders sympathisch klingende bayrische «ZBI – Zentral Boden Immobilien AG» hatte das Gründstück von der Erbgemeinschaft gekauft. Gegen die drohende Verdrängung aus dem Kiez wehren sich daher Mieter*innen der Remisen. Doch wo drückt der Schuh genau?
In Berlin kennt man den nun folgenden Ablauf zu gut. In Zeiten, wo Wohn- und Gewerberäume Anlage- und Spekulationsobjekte sowie die Mieter*innen nur Spielbälle der Renditeinteressen sind, sind die Folgen dieses «Monopoly für Reiche» schon bald spürbar. Der kapitalistische Wohnungsmarkt ist in der Tat kein Zuckerschlecken. Unter dem Vorwand, «den Hof neuzugestalten», ging die ZBI taktisch vor. Stück für Stück wurden die Gewerbeflächen und Garagen im Hof gekündigt und die Menschen so ihrer Existenzgrundlagen beraubt. Damit sich die Betroffenen nicht so leicht über ihre Kündigungen austauschen konnten, wurden diese nach und nach versendet, so dass es jeweils wie eine einzelne Kündigung wirkte. Gemeint waren jedoch alle. Unter den gekündigten Mieter*innen waren eine jahrzehntelang bestehende Tanzschule sowie zahlreiche Handwerker*innen und Künstler*innen. Wohnungen und die gekündigten Gewerberäume stehen seit den Kündigungen leer. Damit wurde die häufig genannte «Berliner Mischung» aus Menschen mit verschiedenen Ideen, Kreativitäten und Herkünften ordentlich durcheinandergebracht. Der Ort, an dem über Jahrzehnte handwerkliche, kreative sowie künstlerische Gewerke zusammenkamen, ist zerstört worden.
In den letzten Monaten kamen Nachrichten auf, dass ein neuer Investor das Grundstück von der ZBI abkaufen möchte. Seine Pläne? «Neugestaltung», also Abriss des Hofes mitsamt seiner bewohnten Remisen. Neben den sieben von Wohnungslosigkeit bedrohten Mieter*innen, würde auch die «grüne Oase» unwiederbringlich vernichtet werden.
Uhlmann und Campus Viva
Der Investor Uhlmann ist dabei kein Unbekannter. Bereits seit Langem schaut er vom benachbarten Mikroappartmenthaus «Campus Viva 2» auf das Grundstück. Hier sollen möglicherweise weitere überteuerte «Kapitalanlagemöglichkeiten», auch bekannt als Eigentumswohnungen, die teuer untervermietet werden, gebaut werden. Die aktiven Mieter*innen aus der Kolonie10 haben sich jedoch von der drohenden Gefahr nicht einschüchtern lassen. Sie haben sich zusammengesetzt und kämpfen mit Unterstützer*innen aus dem Kiez für den Erhalt ihrer Wohn- und Arbeitsplätze. Auch auf die Bezirkspolitik wurde Druck ausgeübt. Dem Baustadtrat Gothe (SPD) wurde unmissverständlich mitgeteilt, welche Gefahr hier bei einem Verkauf des Grundstückes droht. Im Sommer wurde in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte unter anderem das Milieuschutzgebiet Reinickendorfer Straße beschlossen. Damit sollte möglichen Verkaufsplänen des Geländes einen Riegel vorgeschoben werden, da der Bezirk gegebenfalls ein Vorkausfrecht geltend machen kann.
Milieuschutz viel zu langsam
Wie sich nun herausstellte, wurde der Beschluss des Milieuschutzgebietes erst im September im Amtsblatt des Bezirkes veröffentlicht. Erst dann ist der Beschluss der BVV rechtskräftig. Gothe steht nun in der Kritik. Während die Bewohner*innen der Koloniestraße 10 wie so viele andere im Kiez Ängste vor der nächsten Mieterhöhung oder dem Verkauf des Hauses an das nächste Kapitalunternehmen haben, wurden wichtige Entscheidungen nicht schnell genug beschlossen. Ob das Grundstück in der Zwischenzeit wirklich verkauft wurde und ob Uhlmann der neue Eigentümer ist, ist noch nicht ganz klar. Die Menschen in der Kolonie10 haben andere, funktionierende Entwürfe für den Hof. Hier soll zukünftig wieder stärker Gemeinwohl statt Renditeträume im Vordergrund stehen. Wohnraum, Kreativraum, Grün, Spielraum und Freiraum wollen sie hier haben. Einschüchtern lassen sich die Mieter*innen daher nicht.
Somit geht es für die Mieter*innen wie für viele andere im Wedding um gelebte Solidarität. Im Netzwerk Zusammen für Wohnraum schaffen sie gemeinsam mit anderen aus Wedding, Moabit und anderen Stadtteilen Öffentlichkeit und Solidarität für die vielen Fälle drohender Verdrängungen.
Der Kampf um den Verbleib im Kiez geht also weiter. Mit hoffentlich vielen Nachbar*innen, um Investor*innen mit ihren Träumen einen Strich durch die Rechnung machen zu können.
Während Investor Uhlmann bereits dreist Vermessungen des Innenhofes mit einer Drohne machte und widerständigen Mieter*innen und Unterstützer*innen mit der Polizei drohte, kam prompt die Antwort auf seinen «Leuchtturm der Verdrängung». Mitte Oktober wurde die Außenfassade des jüngst bezogenen «Campus Viva 2» großflächig mit Farbe eingedeckt. Sicherlich eine deutliche Ansage, dass Nachbar*innen die Investor*innenträume von teuren Neubauprojekten platzen lassen werden.
Ein Bericht von Felix, erschienen in der Plumpe #1 (Nov18)
Netzwerk #ZusammenFürWohnraum: zusammenfuerwohnraum.noblogs.org
An jedem letzten Dienstag im Monat trifft sich das Netzwerk um 19 Uhr in der Prinzenallee 58 und lädt alle Nachbar*innen ein, dabei zu sein.