Titelthema– Mit großem Medienrummel wurde in diesem Jahr das 100. Jubiläum des Frauenwahlrechtsgefeiert. Das nehmen wir in dieser Ausgabe zum Anlass, uns näher mit dem Stand der Geschlechtergerechtigkeit und Lebenswirklichkeit von Frauen im Wedding auseinanderzusetzen. Wir sprachen unter anderem mit dem Mädchenladen Clara am Leopoldplatz über Fußballtraining und Selbstorganisierung von Mädchen und jungen Frauen, mit einer Aktivistin, die sich an der Vorbereitung des Frauen*streiks in Berlin beteiligt und mit der AG 8. März der Basisgewerkschaft FAU über ihre Veranstaltungsreihe zum diesjährigen Frauen*kampftag und gewerkschaftliche Organisierung in sogenannten «Frauenberufen» wie der Gastronomie.
Selbstbewusst und selbst-organisiert – die Mädchen aus der Clara
Eine Institution im Kiez ist der Mädchenladen Clara mittlerweile auf jeden Fall. Seit rund 10 Jahren gibt es den Laden nun schon in der Nazarethkirchstraße 40, nahe dem Leopoldplatz. Der Bedarf für einen Ort, an dem sich Mädchen und junge Frauen austauschen und ihre Freizeit verbringen können, ist damals wie heute enorm. Immerhin ist der Wedding der Bezirk mit dem niedrigsten Durchschnittsalter ganz Berlins. Mittlerweile bringen die «Älteren» auch ihre jüngeren Schwestern mit zu den regelmäßigen Mädchensprechstunden und Vollversammlungen des Ladens. Jamila, eine der beiden Sozialarbeiterinnen des Ladens, erklärt uns, dass gerade die Mitgestaltung und Selbstorganisierung den jungen Frauen die Möglichkeit gibt, in eine neue aktive Rolle zu schlüpfen, die einige von ihnen zu Hause nicht ausprobieren können. Das stärkt sie ungeheuer in ihrem Selbstbewusstsein. Ganz besonders stolz sind die Mädchen auf ihr jährliches Weddinger Fußballturnier, den Clara Kiez Cup, der dieses Jahr am 30.4. an der Wedding-Grundschule in der Antonstraße stattfindet. Das gesamte Jahr trainieren verschiedene Mädchen-Teams, um den begehrten Wanderpokal zu ergattern, denn Fußball ist wie alle anderen Sportarten und Lebensbereiche auch nicht nur Jungs und Männern vorbehalten.
«Wir wollen ein sorgenfreies Leben für alle»
Auch 2019 bleiben immer noch viele Forderungen von Frauen* in Deutschland wie überall unerfüllt. Die meisten verdienen auch heute durchschnittlich 22% weniger als ihre männlichen Kollegen, hinzu kommt die unbezahlte Arbeit im Haushalt, der Kindererziehung und der Pflege von Angehörigen, die meistens von Frauen* geleistet wird. Jeden Tag begehen Männer körperliche und sexuelle Übergriffe und verletzen Menschen so in ihren intimsten Sphären. Um auf diese Zustände aufmerksam zu machen, fanden am 8. März versschiedene Aktionen im Rahmen des internationalen Frauen*kampftages statt.
Im Vorfeld hatte sich ein bundesweites Bündnis diverser Organisationen und Gewerkschaften gegründet, um die Forderungen nach Selbstbestimmung und Gleichstellung von Frauen mit einem deutlichen Zeichen zu untermauern. Im Kiezhaus Agnes Reinhold im Afrikanischen Viertel und in der Groninger Straße 50 hatten Initiativen Streikpunkte organisiert, an denen streikende Frauen* und solidarische Männer mit Frühstück und den neusten Infos versorgt wurden. Neben den Anlaufpunkten fanden symbolische Straßenumbenennungen und um fünf vor 12 eine kurzzeitige Platzbesetzung am Leopoldplatz statt, zu welcher das Berliner Frauen*streikbündnis aufgerufen hatte. Auch das Frauen*kollektiv Café Cralle blieb geschlossen und rief zur Teilnahme am Streik auf.
Ein Beitrag der Redaktion, erschienen in der Plumpe #2 (April 2019)