Geschichten der Organisierung gegen große Immobilienkonzerne

Weddinger Protest gegen Mietenwahnsinn bei der Demonstration «Unsere Häuser, unsere Kieze. Gegen die Stadt der Reichen!» am 30. April 2019

Weddinger Mieter*innen wehren sich gegen Vonovia, Deutsche Wohnen, Akelius und Co.

Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen Vonovia kennen viele Weddinger*innen aus eigener leidvoller Erfahrung. Die an der Börse gehandelte Immobilien-Aktiengesellschaft verfügt im Berliner Norden, im Wedding und Reinickendorf, über große Wohnungsbestände. Die Vonovia ist bekannt für horrende und undurchsichtige Betriebskostenabrechnungen, lange Wartezeiten bei Belegeinsichten und flächendeckende Modernisierungen mit massiven Mietsteigerungen. Dieses Vorgehen ist kein Zufall, sondern in der profitorientierten Geschäftspolitik des Konzerns angelegt, weshalb Kritiker*innen auch vom «System Vonovia» sprechen.

Steigende Mieten und Einsparungen beim Mieter*innenservice sollen eine hohe Rendite für die Aktionär*innen der Immobilien-Aktiengesellschaft sicherstellen. Die Belange der Mieter*innen interessieren das Unternehmen hingegen wenig, doch immer mehr Vonovia-Betroffene wehren sich. Im Wedding und Reinickendorf haben sich Initiativen gegründet, in denen sich Mieter*innen vernetzen, Erfahrungen austauschen, mietrechtliche Beratung einholen und Proteste organisieren. Sie machen das Vorgehen der Vonovia öffentlich und erzeugen damit Druck auf den Konzern wie auf die Parteien, die durch vermieterfreundliche Gesetze das Geschäftsmodell der Vonovia ermöglichen. Die «Vonovia Mieter Wedding» sind beispielhaft für andere Gruppen. Die Initiative ist im Wedding aktiv und sammelt neue Kontakte zu betroffenen Häusern. Bei ihren monatlichen Treffen beschäftigen sie sich mit Themen wie falschen Grundsteuerbeträgen und geben Informationen zum System Vonovia weiter. Es entsteht derzeit eine berlinweite Vernetzung von Vonovia Mieter*innen, die den Protest über die Bezirksgrenzen und einzelne Häuser hinweg sichtbar machen, um den Druck auf das Unternehmen zu erhöhen.

Mieter*innen-Initiativen bei anderen Wohnungsunternehmen wie Akelius oder Deutsche Wohnen sind da schon weiter. Seit rund zwei Jahren gibt eine berlinweite Vernetzung von Deutsche Wohnen Mieter*innen und in immer mehr Häusern bis hin zu ganzen Siedlungen gründen sich neue Gruppen. Wie der «Mieter*innen Protest Deutsche Wohnen» organisiert auch die «Vernetzung Akelius Mieter*innen» alle paar Monate berlinweite Mieterversammlungen, um über ein gemeinsames Vorgehen zu beraten und Informationen zu teilen. Noch einen Schritt weiter geht das Bündnis «Deutsche Wohnen & Co. enteignen», die alle Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin über einen Volksentscheid und gegen die Zahlung einer Entschädigungssumme enteignen und vergesellschaften, also in kommunales Eigentum überführen, wollen. Die Unterschriftensammlung für die erste Phase, einem Volksbegehren für das es 20.000 Unterschriften bedarf, soll im Frühjahr starten. Das Bündnis setzt bei ihrer Kampagne nicht nur auf den Volksentscheid, sondern sie unterstützen Mieter*innen über eine «AG Starthilfe» bei der Organisierung von Hausgemeinschaften. Dafür bieten sie Workshops an und kommen auf Anfrage auch in Siedlungen, um gemeinsam an Haustüren von Nachbar*innen zu klopfen und sie zu Mieter*innentreffen einzuladen.

Die deutschlandweiten Mietenproteste zeigen bereits erste Wirkung. Um ihr Image besorgt begleitet die Vonovia Modernisierungen mittlerweile häufiger mit sozialen Gefälligkeiten. In der Guineastraße im Afrikanischen Viertel baut das Unternehmen einen neuen Spielplatz im Tausch als «Ausgleich» für Mietsteigerungen nach energetischen Modernisierungen. Im Ziekowkiez in Reinickendorf setzt das Unternehmen vorab auf Gespräche mit Bewohner*innen und den Neubau einer Kita, mit dem sie seniorengerechte Umbaumaßnahmen bei über 1.000 Wohnungen begleiten. Diese Gefälligkeiten sollten jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass am Ende immer die Mieter*innen die Zeche, also die Kosten für Mietsteigerungen nach Modernisierungsmaßnahmen, zahlen, gedeckt von Gesetzen wie dem §559 BGB und einer Politik, die in den Konzernen «Partner» sieht und deren Vertreter*innen sich bei Lobbyveranstaltungen der Immobilienwirtschaft die Klinke in die Hand geben. Um das zu ändern braucht es noch weitaus mehr politischen Druck von Seiten der Mieter*innen. Die Vernetzung mit der eigenen Hausgemeinschaft kann dazu der erste Schritt sein.

Vonovia Mieter Wedding – Kontakt: vonovia-mieter-wedding@gmx.de
Netzwerk Zusammen für Wohnraum – Kontakt: zusammenfuerwohnraum.noblogs.org
Mieterprotest gegen Vonovia in Schmagendorf – Facebook: www.fb.com/mieterprotest
Mieterprotest gegen Vonovia im Lettekiez – Kontakt: mieterprotest.lettekiez@gmail.com

Ein Beitrag erschienen in der Plumpe #2 (April 2019)