«Im Grunde wollen wir, dass übers Jahr jeder Tag zum 8. März wird» – Eine basisgewerkschaftliche Perspektive auf den feministischen Kampftag

Um fünf vor zwölf vor dem Jobcenter Leopoldplatz: #ichstreike8m

Titelthema – Mit Swantje, einer Gewerkschafterin der Basisgewerkschaft Freie Arbeiter*innen Union (FAU) sprachen wir über die Vorbereitungen zum diesjährigen 8. März und gewerkschaftliche Organisierung von Frauen*.

Gleich zu Beginn die große Frage: Was habt ihr denn ganz konkret am 8. März geplant?

Also wir haben am Tag selber eine Gastronomie-Tour geplant. Wir haben überlegt, was machen wir, wenn der 8. März jetzt ein Feiertag ist. Dann dachten wir, es gibt ja auch Leute, die am Feiertag arbeiten müssen. Ganz abgesehen von häuslicher Arbeit, die ja zusätzlich noch anfällt, weil die Schulen und Kitas geschlossen sind. Unter anderem ist das auch die Gastronomie, wo viele Leute, vor allem Frauen* und Migrant*innen gerade am Feiertag arbeiten müssen und wo zusätzlich die Arbeitsbedingungen ziemlich schlecht sind. Gleichzeitig sind dort wenige Menschen gewerkschaftlich organisiert. Viele Menschen wissen ja nicht mal, dass sie sich gewerkschaftlich organisieren können, auch wenn sie keinen festen Arbeitsvertrag haben oder keine Aufenthaltsgenehmigung. Oder, dass gewerkschaftliche Organisierung auch bei anderen Problemen am Arbeitsplatz hilft, wie etwa sexueller Belästigung. Unsere Idee ist, am 8. März in die Gastronomie-Betriebe reinzugehen und zu informieren. Nach dem 8. März gibt es dann nochmal eine Veranstaltung, wo es darum geht zu diskutieren, wie sich Kolleginnen und Kollegen, die in der Gastronomie arbeiten, auch organisieren können. Aber wir werden natürlich auch an den zwei großen Demos in Mitte und Lichtenberg teilnehmen.

In diesem Jahr gibt es ja auch in Deutschland den Aufruf am 8.März tatsächlich zu streiken. Das kann­ten wir bisher ja nur aus Ländern wie Spanien oder Argentinien. Habt ihr euch an den Vorbereitun­gen zum Frauen*streik beteiligt?

Wir haben auf den 8. März hingearbeitet, aber wir werden vermutlich auch darüber hinaus weiterarbeiten. Wir haben auch vieles noch gar nicht geschafft. Zum Beispiel wirklich zum Streik aufzurufen. Dazu kommt auch noch, dass der 8. März hier nun ja ein Feiertag ist. Der 8. März ist ja jedes Jahr wieder, aber im Grunde wollen wir, dass übers Jahr jeder Tag zum 8. März wird, wo alle Frauen* für ihre Rechte kämpfen.

Wie schätzt ihr denn die Initiative des Berliner Senats ein, den 8. März als Feiertag zu bestimmen? Ich habe das Gefühl, das ist eine sehr kontrovers diskutierte Frage.

Ja, da haben wir sehr intensiv drüber gesprochen. Da gibt es bisher auch noch keine Linie von der kompletten FAU. Ich kann nur das wiedergeben, was bei uns in der AG diskutiert wurde. Wir finden den Vorstoß nicht sehr begrüßenswert. Grundsätzlich sind Feiertage natürlich super, aber dieser Tag ist für uns ein Kampftag und es geht darum Dinge zu erkämpfen. Dafür gab es ja in Berlin und in anderen Städten auch diese riesigen Streikbündnisse, wo es sehr eindeutig war, worum es geht, nämlich zu streiken. Aber wenn ich an dem Tag nicht arbeiten muss, dann kann ich auch schlecht streiken. Das nimmt der Forderung natürlich die Schlagkraft. Wir werden schauen, wie wir das trotzdem nutzen können, aber die Gefahr ist da, dass dieser Tag entpolitisiert wird und sich viele einfach einen netten Tag im Tierpark machen.

Eingangs hast du es bereits er­wähnt. Ihr habt auch eine Veran­staltungsreihe im Wedding organisiert.

Im Grunde gibt es eine AG, die zum 8. März gearbeitet hat und irgendwie haben wir auch überlegt was im Rahmen unserer Möglichkeiten ist, etwas zum 8 März beizutragen. Für uns als sehr kleine Gewerkschaft ist es zu groß, zu einem riesigen Streik aufzurufen. Die Idee der Veranstaltungsreihe war, über bestimmte Themen zu informieren und in Austausch zu kommen. Wir wollten schauen: Wo gibt es überall Probleme mit der Diskriminierung von Frauen und was sind Lösungsstrategien dafür. Diskutiert haben wir über die konkrete Forderung des 4 Stunden Tages, als gesellschaftlicher Norm zur besseren Verteilung von häuslicher Arbeit und Bildung. Nach dem 8. März werden wir auch noch über das Thema Generalstreik diskutieren, denn in Deutschland ist das Streikrecht sehr restriktiv. Politische Streiks werden in anderen Ländern ja fast als eine Art Menschenrecht angesehen, hierzulande ist es aber nicht so einfach zum Beispiel für bessere Bildung oder gegen Hartz IV zu streiken. Das ist hier illegal. Für uns stellt sich dann die Frage, wie wir trotzdem damit umgehen können und trotzdem politisch streiken.

Ist es für euch einfach mit Frauen* in Kontakt zu kommen, die vor al­lem häusliche Arbeit erledigen?

Ich denke, es ist etwas anderes, wenn du einen Job hast. Wenn du da Pro­bleme hast, gehst du zur Gewerk­schaft. Ich denke, bei häuslicher Arbeit funktioniert das nicht. Das funktioniert bei uns auch nicht so gut. Ich denke, es ist einmal sehr wichtig von dem Profil und von dem was Gewerkschaftsarbeit bedeutet, dass ganz klar ist, dass unbezahlte Arbeit dazugehört. Schon allein, dass Menschen sich da überhaupt angesprochen fühlen und nicht nur wenn sie in einem bezahlten Arbeitsverhältnis sind. Daran müssen wir auf jeden Fall arbeiten. Dafür braucht es dann aber auch mehr Anlaufstellen. Ein weiteres Problem ist auch, dass diese Leute dann keine Zeit haben, wenn Versammlungen stattfinden, weil das meist abends ist und sie sich um Kinder kümmern müssen beispielsweise. Es gibt jetzt bei uns auch schon den Versuch Kinderbetreuung bereitzustellen, aber leider klappt das noch nicht so gut wie wir uns das vorstellen.

Vielen Dank für das Interview.

Ein Interview von Björn Brun erschienen in der Plumpe #2 (April 2019)