Geschichte– Der 11. Februar 1927 sollte für die NSDAP eine erste Machtdemonstration in der «Reichshauptstadt» werden. Joseph Goebbels hatte sich für eine Kundgebung angekündigt. In den Pharussälen am Leopoldplatz, einem zentralen Versammlungsort der Berliner Arbeiter*innenbewegung, wollten die Faschisten aufmarschieren. Den Weddinger*innen ist es zu verdanken, dass die Veranstaltung letztlich kaum für die Propaganda der Nazis geeignet war. Statt einer Kundgebung und Machtdemonstration mitten im Herzen des Roten Weddings wurde den Faschisten ein proletarischer Platzverweis erteilt. Mit Stuhl- und Tischbeinen bewaffnet lieferten sich die Arbeiter*innen eine Saalschlacht mit der SA. In den umliegenden Straßen wurden Nazis verprügelt. Es sollte für geraume Zeit der letzte öffentliche Auftritt der SA im Wedding sein.
Revolutionäre Hochburg der 20er Jahre
Der Versuch der Nazis war eine gezielte Provokation, denn in der Zeit zwischen den Kriegen war der Arbeiter*innenbezirk Wedding eine Hochburg kommunistischer und anarchistischer Gruppen. Dies schlug sich nicht nur in den Wahlergebnissen der linken Parteien in dem Bezirk nieder, sondern auch in der Vielzahl von Demonstrationen und Aktionen, die sich hier im Wedding und Umgebung abspielten. Hier kämpften unter anderem die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) und die FAUD (Freie Arbeiter Union Deutschlands) für eine revolutionäre Veränderung der bedrückenden Realität der Weimarer Republik. Die KPD prägte mit ihrem Sportverband «Fichte» und ihren zahlreichen Lokalen den Alltag im Bezirk. Die «Weddinger Opposition», eine Strömung innerhalb der kommunistischen Partei, forderte den Kapitalismus sofort revolutionär zu bekämpfen. Auch die auf Initiative der KPD gegründete Antifaschistische Aktion war im Wedding stark vertreten.
Diese kommunistische Prägung des Weddings machte es den Nazis lange schwer, hier Fuß zu fassen. Erst 1931 konnte die SA am Rande des Bezirks ein «Sturmlokal» eröffnen. Dennoch fiel vielen Braunhemden der «Dienst» im Wedding schwer, immer wieder wurden ihre Schlägertrupps von der Weddinger Jugend vertrieben.
Widerstand gegen Verfolgung und Kriegsproduktion
Nach der Machtübertragung an die NSDAP 1933 rächte sie sich dafür grausam: Die Polizei wurde auf die Arbeiter*innen losgelassen, in ihrem Schutz folterte und ermordete die SA zahlreiche Antifaschist*innen.
In den Jahren der Diktatur versuchten viele, sich möglichst unauffällig zu verhalten. Andere leisteten aber auch stetig Widerstand. Untergrundzeitungen und Flugblätter, die die Verbrechen der Nazis anklagten, wurden verteilt. Kommunistische Arbeiter*innen sabotierten die Kriegsproduktion in den Fabriken. Die antifaschistische «Swing-Jugend» hörte heimlich verbotene Musik und lieferte sich am Leopoldplatz Auseinandersetzungen mit der Hitlerjugend. Viele verfolgte Jüd*innen und Kommunist*innen überlebten hier den Krieg, weil sie von Arbeiter*innen in ihren winzigen Wohnungen versteckt wurden. Auch heute werden rechte Gruppen und Parteien immer stärker. Aus der antifaschistischen Tradition des Weddings können wir einiges lernen, um dagegen zu kämpfen.
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Ein Beitrag der Forschungsgruppe historischer Antifaschismus, erschienen in der Plumpe #3 (September 2019)