Vorsicht: Polizei!

Tausende protestierten gegen Rassismus und (tödliche) Polizeigewalt am 6. Juni 2020 auf dem Alexanderplatz (Foto: Simon Zamora Martín)

Thema– Todesfälle in Gewahrsam bleiben in Deutschland weiterhin unaufgeklärt. Trotz politischem Druck auf den Straßen werden Todesfälle systematisch vertuscht. Seit Jahren kämpfen in Deutschland verschiedene Gruppen für die lückenlose Aufklärung, wie im Fall von Oury Jalloh in Dessau oder im Fall von Hussam Fadl in Moabit. Letzterer wurde im Jahr 2016 von der Berliner Polizei von hinten erschossen. Trotz erdrückender Beweislage gibt es vier Jahre nach der Tat immer noch keine Aufklärung. Auch aktuelle Fälle wie der Tod von Ferhat Mayouf, ebenfalls JVA Moabit, oder der Tod von Mohamed I. in Bremen werden nicht aufgeklärt und Behörden beharren auf widersprüchliche und nachgewiesene Falschaussagen der Polizei zu den Todesumständen.

Die Kampagne Death in Custody recherchiert und dokumentiert Todesfälle in Gewahrsamssituationen von Rassismus betroffenen Menschen, die sich in Deutschland ereignen. Für diese Menschen besteht ein besonders hohes Risiko, in staatlicher «Obhut» ums Leben zu kommen. Viele Todesfälle entstehen aus Situationen, von denen von Rassismus betroffene Menschen deutlich häufiger betroffen sind – wie beispielsweise sogenannte «anlasslose Kontrollen» und Racial Profiling. Interaktionen mit der Polizei eskalieren häufiger, da Beamt*innen schneller Gewalt anwenden, Kontrollen führen oft zu willkürlichen Festnahmen. Dies führt zu einer Kriminalisierung nicht- weißer Personen.

Gewahrsam bezeichnet Situationen, in welchen Menschen ihre Freiheit entzogen wird: während einer Polizeikontrolle, in der Zelle, im Lager, in einer Psychiatrie oder während einer Abschiebung. All diese Situationen, in denen sich Menschen in der «Obhut» des Staates befinden, enden für von Rassismus betroffene Personen immer wieder tödlich.

Die Kampagne rückt Todesfälle von 1990 bis heute ins Bewusstsein und zeigt strukturelle Rassismusprobleme bei den deutschen Behörden auf. Seit 1990 wurden bundesweit über 170 Todesfälle recherchiert (Stand: August 2020), bei einem Drittel handelt es sich um Polizeischüsse bzw. physische Gewaltanwendungen (zu Tode prügeln, ersticken, Brechmittelfolter). Der andere große Teil sind Todesfälle in (Abschiebe-)Haft. Bei einem Großteil dieser Serie von Todesfällen wird als Todesursache «Suizid» angegeben.

Die Vielzahl der erfassten Fälle zeugt von einem institutionellen Rassismus deutscher Behörden. Täglich spiegelt sich das in dem besonderen Risiko für Schwarze Menschen, Rom*nja oder Muslim*a wieder, durch Maßnahmen des Racial Profiling in Polizeigewahrsam zu kommen und dort aufgrund von Polizeigewalt oder unterlassener Hilfeleistung zu sterben. Die Recherche zeigt, dass die Todesumstände nicht aufgeklärt werden, Täter*innen werden äußerst selten angeklagt und noch seltener verurteilt, meistens werden die Ermittlungen eingestellt.

Die Kampagne besteht aus verschiedenen antirassistischen Gruppen und Initiativen und arbeitet daran durch Informationserhebung, solidarische Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit und Demonstrationen das Schweigen um den Rassismus in den Behörden aufzubrechen.

Ein Beitrag der bundesweiten Kampagne «Death in Custody – Tod in Gewahrsam aufklären!»  in der PLUMPE #6 (Sept 2020)