Thema– In diesem Sommer ging die Skjerven Group GmbH im Berliner Norden auf Einkaufstour. Das Unternehmen ist vor allem auf die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen spezialisiert und besitzt bundesweit mehrere tausend Wohnungen. Insgesamt 13 Gebäude landeten dieses Mal im Einkaufskorb, alle liegen in Milieuschutzgebieten.
Als die Bewohner*innen der von Skjerven gekauften Häuser von dem Kauf erfahren, organisieren sie sich und versuchen, den Bezirk zur Ausübung des Vorkaufsrechts zu bewegen. Es folgen mehrere Kundgebungen, ein offener Brief an die Berliner Politik und eine ganze Menge Öffentlichkeit.
Die Rolle der Bezirke
Bei der Durchführung des Vorkaufsrechts sind die jeweiligen Bezirke in Berlin verantwortlich. Das Bezirksamt Mitte tut sich bei Vorkaufsfällen regelmäßig vor allem durch schlechte Kommunikation mit den betroffenen Mieter*innen hervor. Das geschah auch im beschriebenen Fall mit Skjerven: nachdem die Mieter*innen über den geplanten Verkauf ihres Hauses benachrichtigt wurden, leitete das Bezirksamt keine weiteren Infos an die Betroffenen weiter.
«Wer also ein echtes Vorkaufsrecht will, muss dieses konsequenterweise über Enteignung regeln!»
Kämpfen lohnt sich trotzdem: Drei Häuser haben Glück
Die Waldenser Straße 9 geht per Vorkaufsrecht an die degewo, die Oldenburger 3 an die Genossenschaft EVM und die Luxemburger Str. 31 an die WBM. Immerhin wurde also bei drei der 13 Skjerven-Häuser das Vorkaufsrecht angewandt. Die anderen zehn Häuser gehen wie geplant an Skjerven. Denn das Vorkaufsrecht wird nur dort angewandt, wo sich eine städtischen Wohnungsgesellschaft als Käuferin für das Haus findet. Die Rentabilität des Hauses spielt dabei eine große Rolle. Der Schutz der Mieter*innen ist hier also nicht das wichtigste Kriterium.
Wie sehen die Alternativen aus?
Alternativen zum Vorkaufsrecht müssten langfristig vor Verdrängung schützen und für die meisten Wohnhäuser in Berlin anwendbar sein. Hier stellt momentan vor allem die Vergesellschaftung großer Immobilienfirmen eine ernstzunehmende Möglichkeit dar, wie sie momentan vom Bündnis „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ gefordert wird. Viele Fehler des Vorkaufsrechts wären hier behoben: Die Vergesellschaftung eines signifikanten Anteils der Wohnhäuser in Berlin würde den darin lebenden Menschen die Angst vor Verdrängung nehmen. Da die enteigneten Häuser dauerhaft in die öffentliche Hand überführt würden, wäre auch der Effekt dieses Instruments von großer Dauer. Vergesellschaftung ist momentan das effektivste Mittel, um den Mietenwahnsinn zu bekämpfen. Wer also ein echtes Vorkaufsrecht will, muss dieses konsequenterweise über Enteignung regeln!
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Was ist das Vorkaufsrecht?
Die Ausübung des Vorkaufsrechts wurde im Herbst 2017 durch den Berliner rot-rot-grünen Senat beschlossen und soll Alteingesessene vor Verdrängung schützen. Es gilt jedoch nur in sog. Milieuschutzgebieten und nur für den Verkauf kompletter Häuser. In den meisten Fällen (z.B. beim Verkauf einzelner Wohnungen oder den Verkäufen von Immobiliengesellschaften) greift das Vorkaufsrecht nicht und kann leicht umgangen werden. In den letzten Jahren führte nicht einmal jede zehnte Überprüfung des Vorkaufsrechts auch zu einem Erwerb des Hauses.
Mehr Infos zum Heimstaden Bostad AB die eng mit der Skjervern-Group zusammenarbeitet, findet ihr in diesem FAQ.
Dieser Beitrag der Stadtteilorganisierung «Hände weg vom Wedding!» erschien in der PLUMPE #6 (Sept. 2020)