Unaufhaltsam – Die Herzlichkeit der Frauen als Waffe: Frauenperspektiven und Frauen*Streik 2019 in Bilbao

Bericht International– Der 8. März ist internationaler Frauen*kampftag. Während zu diesem Anlass die Form des politischen Streiks 2019 in Deutschland erstmals seit 1994 wieder in Betracht gezogen wurde, traf der Frauen*Streik 2018 in Spanien und im Baskenland (Euskal Herria) auf eine massenhafte Zustimmung. Auch 2019 waren wieder hunderttausende Frauen* auf den Straßen und an Aktionen beteiligt – Millionen weltweit. Die Plumpe Redaktion interviewte dazu eine Aktivistin aus Bilbao.

Stell dich doch bitte einmal vor.

Mein Name ist Olga del Castilla und ich gehöre zur Vereinigung Mujeres del Mundo Babel (Frauen der Babel-Welt) aus Bilbao. Vor 20 Jahren begannen wir hier, unsere Arbeit aufzunehmen. Die Organisation wurde von vielen verschiedenen Frauen gegründet und das ist es auch, was uns auszeichnet: Kulturelle Diversität vereint in der Herzlichkeit der Frauen untereinander.

Welche Aktionen waren beim Streik sichtbar und auf welche Proble­me wurde dadurch aufmerksam gemacht?

Monatelang haben sich Feministinnen aus Euskal Herria (Baskenland), sowohl 2018 als auch 2019, in Vorbereitung, Organisation und Entwicklung des 8. März Streiks in offenen Versammlungen, in den Städten und Dörfern getroffen. Die daraus entstandenen Vorschläge wurden als Dreh- und Angelpunkte, auf dem unser Streik fußen soll, in einem Dossier separat festgehalten. Dies sind folgende: Lohnarbeit, denn die prekären Arbeitsbedingunen sowie die Ungleichheit der Gehälter (um die 30% Unterschied zu Männern) wären schon Grund allein, den Streik anzuzetteln. Dann die Studierenden, denn patriarchale Werte und stereotype Rollenbilder werden durch das Bildungssystem an den Universitäten weiterhin vermittelt. Der Konsum/ Verbrauch – denn das kapitalistische System benutzt die Arbeitskraft der Frau um diese auszubeuten, zu entfremden und damit von einem würdigen Leben fernzuhalten.

Die Pflege als unsichtbare Arbeit wird natürlich auch thematisiert! Ob nun zu Hause oder im Pflegeberuf wird diese kaum wahrgenommen von der Gesellschaft und erst Recht nicht von einem ökonomischen Standpunkt, also der Bezahlung aus gesehen. Gewalt als letzter Punkt kennzeichnet die verschiedenen Formen der Gewalt gegen Frauen im Alltag: institutionell, sozial, sexuell und ultimativ persönlich in Paarbeziehungen oder durch Ex-Partner*innen. Wir dürfen diese scheinbare Normalität nicht mehr hinnehmen!

Die Aktionen am Streiktag selber sahen folgendermaßen aus. Es gibt einen Zusammenschluss von Frauenorganisationen in Städte-Kommissionen, welche dann in offene lokale Vollversammlungen mündeten, Vermittlungsaktionen/ Verhandlungsarbeit (wird noch geklärt) mit Gewerkschaften für Aktionen (auch am Vortag), Umsetzung einer eigenen Kommunikationsstrategie und die Verbreitung des Materials für die Frauenorganisation. Das führte dazu, dass wir Streikposten errichteten, einen Forderungskatalog an die Stadt Bilbao übergaben, welcher die Probleme der Pflege in Familien und vorallem in Bezug auf Minderheiten und ältere Menschen herausstellt, Massenaufführungen abhielten, gemeinsame Essen organisierten und eine Großdemonstration um 19 Uhr durchführten. Ein gemeinsames symbolisches Out-fit wurde für den Tag festgelegt: «Kommt am Besten in Schwarz, mit lila Armbändern und Taschen voller Gegenstände, die viel Lärm während der Demonstration machen!»

Wie habt ihr den Streik 2018 erlebt?

Der Ausgang des 8. März 2018 war für uns unerwartet, obwohl wir viel mobilisierten, organisierten und Verbindnungen in verschiedene gesellschaftliche Sphären knüpften. Die Beteiligung der Frauen in den Straßen von Euskal Herria ging über das hinaus, was wir erwarteten. Es war ein historischer Tag für den feministischen Kampf. Die Beteiligung war enorm. Mehr als 80.000 Frauen allein in Bilbao und viele Tausende in anderen Städten, auch in Spanien und weltweit! Der Tag war voller Emotionen. Da war das Lachen, Tränen, Umarmungen, das Rufen und manchmal kollektives Schweigen, wie die Massenkundgebung in Gedenken an die Opfer männlicher (Macho) Gewalt. Dieses Zusammensein, die Jungen neben den «Veteran*innen», bestärkt und motiviert uns, weiterzumachen. Denn wir wissen, dass dieses System verändert werden muss. Hervorheben will ich die Beteiligung migrantischer Frauen und anderer Minderheiten, die bisher nicht direkt einbezogen wurden. Wir wollen die Teilhabe gewährleisten, denn dies bereichert und stärkt unseren Kampf als Frauenbewegung, um unsere Rechte zu erweitern hin zu einem Zustand wirklicher Gleichberechtigung.

Seit ihr zufrieden mit dem Streik in diesem Jahr und wie hat die Bevöl­kerung reagiert?

Ja, auf jeden Fall! Denn jeden Tag wer- den wir uns mehr und mehr unserer Stärke bewusst. Wir schauen auf uns selbst und beziehen Frauen ein, welche bis jetzt nicht präsent waren. Wie ich es bereits ansprach: Migrant*innen, von Rassismus stigmatisierte, Renter*innen, die Jugend usw. Wir werden immer organisierter und bewusster im Umgang mit den verschiedenen Ungleichheiten, die uns täglich viel Leid zu fügen. Es gab dieses Jahr auch einen eigenen Aufruf, der an transsexuelle Frauen gerichtet war. Unterschiedlichste Frauen nehmen sich den Raum und beziehen sich aufeinander, dadurch beobachten wir eine veränderte Sichtweise auf Feminismus. Das stärkt und vereint uns als Bewegung.

Gibt es jenseits des Streiks Metho­den und Praktiken aus Frauenper­spektive um der täglichen Gewalt entgegenzutreten?

Der feministische Kampf findet nicht nur am 8. März statt. Das gesamte Jahr nutzen wir für Aktionen vor Institutionen und Gerichten, um auf die Verletzung unserer Grundrechte aufmerksam zu machen. Wir versuchen in allen Räumen und Situationen präsent zu sein, in denen unsere Rechte verletzt werden und Ungleichheit auftritt. Als feministische Bewegung, die sich gegen geschlechtsspezifische Gewalt einsetzt, haben wir für Frauen aus unserem größeren Umfeld ein 24-Stunden-Notfall-Protokoll, das diese Gewalt anzeigt und sichtbar macht.

Ich möchte noch anmerken, dass die gemeinsame Stimme aller feministischen Organisationen fundamental ist, um uns zu stärken und um gemeinsam zu kämpfen. Aus diesem Grund sind wir auch seit 2000 Teil des Weltfrauenmarschs (MARCHE MONDIALE DES FEMMES) welcher alle fünf Jahre abgehalten und gefeiert wird! Als aktiver Teil dieses Netzwerks knüpfen wir aus dieser Position heraus, neue Verbindungen in Euskal Herria. Hier wird es im November auch eine feministische Konferenz geben. Dort wollen wir gemeinsam reflektieren und neue Anforderungen an unseren Kampf formulieren, welcher uns trotz unserer Unterschiede als Frauen langfristig eint und letztlich alle Menschen befreit.

Kontakt: http://mujeresdelmundobabel.org

Das Interview erschienen in der Plumpe #2 (April 2019)