Die erste PLUMPE ist als Ausgabe #1 erschienen

Warum Plumpe?

«Plumpe» – ein schönes Wort, wie wir finden. Umgangssprachlich wurde früher der Gesundbrunnen, aber auch das alte Hertha-Stadion so genannt. Im alten Berlin meinte es die «Wasserpumpe». Als Teil unserer Berichterstattung über Wedding und Gesundbrunnen wollen wir das Wort Plumpe wieder aufnehmen.

Zweiter Auftakt

Nach der Sonderausgabe #0 im Juni 2018 (PDF) ist sie nun endlich da: Die erste reguläre Ausgabe der Plumpe! Mieten und Wohnen bleibt unser Titelthema, diesmal allerdings mit Blick auf die Neubauten in unseren Kiezen. Wir führen mit dieser Ausgabe aber auch neue Rubriken ein, die sich zum Beispiel mit Kultur oder Sport in Wedding und Gesundbrunnen beschäftigen.

Die gesellschaftlichen Verhältnisse zeigen sich dort am deutlichsten, wo wir wohnen und leben: Steigende Mieten, Verdrängung, Alltagsrassismus, Druck und Drangsalierungen durch das Jobcenter, staatliche Überwachung und rechte Hetze sind auch im Wedding Alltag. Aber um genau gegen diese Zustände anzugehen, um sich gemeinsam zu wehren oder sich zu unterstützen, tun sich im Wedding auch immer wieder Menschen zusammen. Wir wollen über die sozialen Kämpfe in unseren Kiezen berichten und euch Nachbar*innen darüber informieren, was nebenan passiert. Wir sind keine Mitglieder irgendwelcher Parteien, noch sitzen wir in irgendwelchen Gremien des Bezirks oder Senats. Trotzdem ergreifen wir Partei. Die Texte, die wir veröffentlichen sind vielfältig – genau wie unser Kiez.

Bei euch im Haus, Block oder Kiez tut sich was? Habt ihr euch mit Freund*innen, Nachbar*innen, oder Kolleg*innen zusammengetan und wollt, dass wir darüber berichten? Dann schreibt uns!

post(at)plumpe65.press

Abholen

In den Weddinger Kiezen gibt es einige offizielle Anlaufpunkte um euch euer Exemplar der Plumpe zu sichern! Hier eine kleine Auflistung:

    • Basta! Die Erwerbsloseninitiative, Schererstr. 8, 13347
    • Café Cralle Frauen*kneipenkollektiv, Hochstädter Straße 10 A
    • EOTO e.V., Togostraße 76, 13351
    • Freie Arbeiterinnen u. Arbeiter-Union, Grüntaler Straße 24, 13357
    • Genossenschaftsprojekt Prinzenallee 58, 13359
    • Demokratie in der Mitte, Osloer Str. 12/2, 13359 
    • Kiezhaus Agnes Reinhold, Afrikanische Str. 74, 13351
    • Küche für Alle – jeder erste Mo. im Monat , Groninger Str. 50, 13347

Jenseits davon findet ihr die aktuelle Ausgabe in dem ein oder anderen Café, Imbiss oder Spätkauf zwischen Amrumer Straße., Leopoldplatz, Nauener Platz, Badstraße und Brunnenviertel wieder, einfach die Augen offen halten!

Wer ist dieses Milieu und warum wollt ihr es schützen?

Die «neoliberalisierung der städte» – ein schreckgespenst von dem wir in letzter Zeit immer häufiger hören. aber was hat es damit auf sich? und was hat das mit unseren Kiezen zu tun?

Die «neoliberale Stadt» beschreibt die Ausrichtung der gesamten Stadtentwicklung an der Idee des freien Marktes. Es wird angenommen, dass dieser alle Probleme von alleine und ohne Regulierungen am besten lösen kann. Die Folge sind die Zurücknahme staatlicher Sozialprogramme und weitreichende Privatisierungen um dies durchzusetzen. Die Stadt wird hier als eine Marke angesehen, die es zu verkaufen gilt. Die Menschen, die in ihr leben sind zweitrangig. Unsere Städte sollen schöner und attraktiver werden, nicht für uns Bewohner*innen, sondern in erster Linie als «Standortfaktor» für multinationale Unternehmen und um hochqualifizierte Fachkräfte anzuziehen. Geringverdienende und Arbeitslose werden hingegen ausgegrenzt. Im Fokus dieser – gar nicht so neuen – Logik der kapitalistischen Städte liegt also die Verwertbarkeit für das Kapital. Die Stadtpolitik wird damit zu einer «Standortpolitik» umgestellt. Am einfachsten ist es die verschiedenen Ausdrucksweisen der «neoliberalen Stadt» am Beispiel zu betrachten. Im Wedding fallen dabei schnell folgende Beispiele ins Auge: Die voranschreitende Privatisierung von öffentlichen Orten signalisiert nach außen deutlich, wer dazugehört und wer nicht. Wer sich den neuen Lifestyle nicht mehr leisten kann, wird ausgegrenzt. Das zeigt sich an der stark ansteigenden Videoüberwachung halböffentlicher Orte und an Hinweisschildern oder Verordnungen, die etwa aggressives Betteln, ungenehmigten Warenverkauf, «Zweckentfremdungen» von Wasserbecken oder Bänken und das Anbringen von Plakaten verbieten. So können bestimmte Personengruppen durch private Sicherheitsdienste ausgegrenzt werden.

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«Gemeinsam die Angst wegschmeißen» – Interview mit der unabhängigen Erwerbsloseninitiative Basta!


Themen – «Wir sind es, die Arbeitslosen!» So reihten sich die unabhängige Erwerbsloseninitiative von Basta!, alle Verachtung trotzend, als Gruppe am 30.4.18 in dieDemo ein. Sie organisieren sich seit acht Jahren im Wedding. Neben der Beratung in der Schererstraße 8 geht es ihnen um ein solidarisches und würdevolles Miteinander. Sie ringen um eine gemeinsame Praxis, wirkungsvoll gegen die Bedrohung der Jobcenter aktiv zu werden. In der Aktionswoche vom 20.-30. April organisierte Basta! eine Beratung vor dem Jobcenteram Leopoldplatz und mit der PA58 (Prinzenallee 58) ein Erzählcafe mit der Weddinger Nachbarschaft.

Das Jobcenter ist für euch als Basisaktivist*innen ja mittlerweile ein zweites «Zuhause». Kann man das so sagen?!

Für Basta! ist die Schererstraße 8 das soziale Haus, wo wir wir selbst sein können. Dort können wir uns analog austauschen, miteinander denken, lernen, streiten, lachen, uns organisieren, gemeinsam Essen, Musik machen und feiern. Nein, das Jobcenter ist kein zu Hause, definitiv nicht. Es ist ein Apparat der blanken Herrschaft, der Menschen keine Handlungsoptionen lässt. Damit verbinden wir einen grotesken Ort, der die Lohnarbeit zum einzigen Mittel der Selbstverwirklichung erklärt und der mithilfe von neuzeitlichen Instrumenten wie Sanktionen, Mitwirkung und Zumutbarkeitskriterien Terror verbreiten will. Das Jobcenter ist für uns die Fabrik; dort streiten wir um materielles Auskommen. Es ist der Ort der taktischen Konfrontation. Auch dort gewinnen wir zukünftige Mitstreiter*innen. Um Solidarität zu spüren begleiten wir uns gegenseitig, zeigen dabei, dass wir nicht allein sind, dass Herkunft gemeinsames Schicksal macht. Dabei ist das Jobcenter ein Ort unserer Analyse und Kritik.

Was ist eigentlich die Motivation, sich als Initiative permanent mit so einem bürokratischen Komplex wie Hartz-IV und den dazugehörigen Jobcenter Aktivitäten auseinanderzusetzen?

Da gibt es viele Gründe. […] In Berlin und gerade im Wedding kann ein hoher Anteil der Bewohner*innen nicht durch Arbeit den Lebensunterhalt bestreiten. Und das,während die Mieten steigen und rassistische Diskurse öffentlich politisch angeheizt werden. Im Jobcenter fallen all diese Zustände zusammen. Wir lernen sehr viel bei unserer Arbeit bei Basta!:Wie es möglich ist mit wenig Geld zu leben, wie viel Solidarität in der Gesellschaft vorhanden ist, die meist unsichtbar bleibt. Wir wollen die Kräfte, das Widerstandspotential bündeln,um zu einer Gegenmacht zu werden. Armut, Arbeits- und Wohnungslosigkeit sind keine individuellen Probleme, die in der Person wurzeln, sondern gesellschaftlich gemacht, gewollt. Für uns ist klar, dass wir sie deshalb auch nicht individuell lösen können, sondern uns zusammen tun müssen. Das Gefühl von Schuld lastet schwer, aber vor allem der Ausschluss, wenn ich nicht einfach mit meinen Freund*innen essen gehen kann und das letzte Mal vor 5 Jahren im Urlaub war – das alles versuchen wir in einen Kontext zu setzen.

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Ein Kiez unter Verdacht! Erfahrungen mit der Alltagsüberwachung

Verfolgt von der Kamera – Eine Aktion von der Kampagne Endstation am Leo

Themen – Erfahrungen mit der Alltagsüberwachung am Kottbusser Tor als Beispiel für den Leopoldplatz

Seit einer Weile steht nun bei der Polizei, die täglich am Kottbusser Tor mit 2-3 Wagen vor Ort ist, ein zusätzlicher Anhängerwagen mit einer Kamera auf dem Dach und dem Hinweis auf Videoüberwachung – auch am Leo steht häufg so einer. Er vermittelt die Botschaft, dass wir uns an einem ‚gefährlichen Ort‘ befinden und penible Überwachung erforderlich sei. Dass dieser, auch Schnüffelwagen genannte Apparat, hier steht, hat jedoch vielmehr damit zu tun, dass das Kottbusser Tor gerade zu einem neuen Zentrum gemacht wird – im Herzen Berlins.

Einer Stadt, die im imperialen deutschen Kaiserreich Hauptstadt wurde, später Zentrum des Kalten Krieges war und heute als zentrale Metropole in der Europäischen Union wiederaufgebaut wird. Denn wie in allen westlichen Metropolen bedeutet Zentrum-Werden auch hier, zu einem ‚sicheren‘ und ‚sauberen‘ Ort gemacht zu werden. So kommt ein Konzept zum Einsatz, welches u.a. das Kottbusser Tor als ‚gefährlichen Ort‘ ausruft und die Polizei befähigt, Menschen verdachts- und anlassunabhängig zu kontrollieren und zu durchsuchen. Eben genau wie am Leopoldplatz. Es ist immer wieder zu beobachten, dass vor allem Schwarze und für Muslime gehaltene Menschen an diesen Orten im Fokus der polizeilichen Überwachung stehen und als vermeintlich kriminell gelten.

«Kriminalität ist aber keine objektive Gegebenheit, die einfach so vorgefunden wird und dann eine Reaktion erfordert. Sie ist ein Ergebnis von Zuschreibungen und Konstruktionen. Menschen verhal- ten sich immer auf die eine oder andere Art und Weise von Normen abweichend, aber nur manche Handlungen und Men- schen werden daraufhin als kriminell etikettiert und andere nicht.»

schreibt das Magazin – Bürgerrechte & Polizei/ CILIP in der aktuellen Ausgabe.(1)

Folglich erweist sich die Berliner Sicherheitspolitik für die besonders im Fokus stehenden Menschen als verunsichernd und gefährlich. Sie sind im neuen Zentrum unerwünscht. Anders gesagt, das Zentrum soll weiß, schick und bürgerlich sein. Dieses Vorhaben schlägt sich am Kotti gewaltsam nieder: Die Geschäfte laufen gut, Immobilienfirmen und Start-Ups etablieren sich, Mieten steigen, Anwohner*innen und Kleingewerbe werden verdrängt. Die migrantische Kiezkultur wird als Fassade für eine kaufkräftige Kreativwirtschaft, Luxus-Investitionen und Tourist*innen vermarktet; sie wird aber auch gesäubert, damit das Geld besser und vermeintlich sicherer fließt.

So wird das Kottbusser Tor auch zu einem Ort, an dem unterschiedlichste Migrationsbewegungen aufeinandertreffen. Viele neue Leute durchkreuzen den Ort: Leute, die Zu ucht suchen, Leute, die Business machen wollen, Leute, die Spaß haben wollen, Leute, die auf der Suche nach Geld und Jobs sind. Gleichzeitig sind die Leute von früher da, als Kreuzberg ein Randbezirk, eine Peripherie war. Leute, für die es immer schwerer wird, ihre Wohnung zu bezahlen, Leute, die dafür kämpfen, gesellschaftliche, also soziale Räume zu erhalten. Leute, die ihre Sachen packen, Leute, die ihr Leben unberührt weiterführen (können), Leute, die sich nicht verdrängen lassen, sich gegen steigende Mietpreise und Polizeiüberwachung organisieren.

Zwischen diesen Gruppen lassen sich durchaus gemeinsame Interessen ausmachen. Im Alltag aber durchqueren viele von ihnen das Kottbusser Tor voneinander getrennt. Die aktuelle Überwachungspolitik trägt zu ihrer Zersplitterung bei – eben durch die rassistische und klassistische Aufteilung in überwachte, kriminalisierte und Gruppen, die sich frei bewegen dürfen. Eine solche Politik sollte niemals normal werden! Auch nicht am Leopoldplatz oder am Bahnhof Osloer Straße! Sie nimmt Nachbar*innen den Raum, um ins Gespräch zu kommen, zum Beispiel darüber, was Sicherheit für wen bedeutet. Wir sollten auf unser Recht bestehen und damit beginnen, eigene Möglichkeiten zu diskutieren wie wir uns Sicherheit wieder aneignen und wie wir auf selbstbestimmte, mündige Art und Weise aufeinander aufpassen können.

Ein Beitrag der Berliner Kampagne Ban! Racial Profiling – Gefährliche Orte abschaffen

(1) CILIP 115  (2018) «Werhat Angst vorm Kottbusser Tor? Zur Konstruktion „gefährlicher“ Orte»